Menschen lieben das Außergewöhnliche, auch wenn es um die Wahl ihrer Haustiere geht. Hybridrassen liegen bei Katzen ebenso wie bei Hunden voll im Trend. Doch fühlen sich exotische Rassen wirklich im heimischen Wohnzimmer wohl? Unsere Tierheilpraktikerin Vanessa geht heute kritisch der Frage nach, ob Wildkatzen wirklich in Dein Zuhause passen.
Wilde Katzenrassen domestiziert
Extravaganz scheint bei der Anschaffung einer Katze eine immer größere Rolle zu spielen. Leute möchten sich nicht nur ein Haustier zulegen, sondern es soll aus der Masse herausstechen. Die Zucht von Hybridrassen boomt. Dabei werden domestizierte Hauskatzen mit kleinen Wildkatzenarten gekreuzt. Folgende Rassen gibt es beispielsweise:
Savannahkatze
Ein Mix aus der wilden Serval-Katze und der Bengal-Hauskatze. Diese Katze ist eine sehr große, schlanke und hochbeinige, sowie muskulöse Art mit verhältnismäßig kleinem Kopf mit großen Ohren. Mit ihrem Gepard ähnlichem Erscheinungsbild ist sie optisch ein Hingucker. In freier Wildbahn hat der Serval ein Jagdgebiet von elf Quadratkilometern. Enge Käfige sind daher für die Nachkommen dieser Wildkatze mehr als bedenklich.
Caracats
Die Kreuzung aus wildem Karakal mit der häuslichen Maine Coon Hauskatze oder Abessinierkatze. Sie ist muskulös und langgestreckt und der massive Kopf weist schräg angesetzte Augen auf. Die sehr großen Ohren mit ausgeprägten langen Haarpinseln verleiht dem Tier ein “luchs-ähnliches” Aussehen. Die kleinen Wildkatzen lebten vor der Züchtung in sehr trockenen Gebieten wie Wüsten, Steppen und Trockenwäldern.
Bengalkatze
Hier sind die Vorfahren wilde Bengalkatzen (Prionailurus bengalensis) und domestizierte Amerikanische Kurzhaar-Katzen. Züchter werben gerne mit dem “Leopardenlook” der wilden Bengalkatze. Der Körperbau ist athletisch und muskulös mit mittellangem Schwanz. Diese ist in Asien beheimatet und ursprünglich nachtaktiv.
Ursprünglich anders: Europäische und afrikanische Wildkatze
Für neue Hybridrassen scheint es keine Grenzen zu geben. Immer wieder werden ungewöhnliche Verpaarungen gezüchtet. In Europa gibt es aber durchaus noch freilebende wilde Katzen: Experten schätzen, dass etwa 5000 - 6000 europäische Wildkatzen in unseren Wäldern zu Hause sind.
Unsere heutigen Hauskatzen stammen dagegen von der afrikanischen Wildkatze (Felis silvestris lybica) ab, die sich leichter zähmen ließ und wahrscheinlich von den Römern nach Deutschland gebracht wurde. Neben einem jahrhundertelangen Entwicklungsprozess entstammen unsere schmusigen Haustiere also auch einem ganz anderen Genmaterial als ihre wilden Artgenossen. So kannst Du die heutigen Haus- und Wildkatzen auseinanderhalten:
Unterscheidungsmerkmale zwischen Haus- und europäischen Wildkatzen
- Schädelvolumen: Bei Wildkatzen deutlich größer.
- Körpergröße: Wilde Rassen können bis zu 110 cm von Kopf bis Schwanzspitze messen.
- Darm: Wildkatzen haben als reine Fleischfresser einen kürzeren Darm.
- Schwanzlänge: Hauskatzen haben einen längeren Schwanz als ihre wilden Artverwandten.
Zudem ist dieser spitzer und weniger buschig. - Augenfarbe: Grau-grün bei Wildkatzen, Hauskatzen können dagegen alle Augenfarben haben.
- Lebensweise: Europäische Wildkatzen sind Einzelgänger.
- Futtervorlieben: Neben kleinen Tieren können Wildkatzen auch große Beute machen,
z.B. ein Frischling oder ein Rehkitz. - Paarungszeit: Nur im kalten Februar werden Wildkatzen aktiv.
Nachkommen von europäischen Wildkatzen, die sich mit Hauskatzen paaren, heißen “Blendlinge”. Sie gefährden ebenso wie die gezüchteten Hybridrassen die Wildkatzen, denn der Nachwuchs verbindet Genmaterial beider Rassen und ist somit nur bedingt für das Leben in freier Wildbahn gewappnet.
Der legale Handel mit Hybridrassen
Die Zucht von Hybridrassen, die angeblich die besten Merkmale von bestimmten Wildkatzen und Hauskatzen vereinen, nimmt gerade zu. Aber ist der Handel mit den Hybridrassen legal? Die Antwortet lautet: Ja, unter folgenden Bedingungen:
- EG-Bescheinigung (Vermarktungsgenehmigung / Artenschutzgesetz): Der Verkäufer kann mit dieser den legalen Erwerb der Katze nachweisen.
- Sachkundenachweis: Du musst Dir vor einem Amtstierarzt bestätigen lassen, dass Du Dich mit diesen Katzen auskennst. Erst dann darfst Du das Tier halten.
- Großes Außengehege: Dieses muss ca. 50m² Fläche haben. Das ist wenig Platz verglichen mit dem Auslauf, den die Katzen aus der freien Wildbahn gewohnt sind.
- Keine privaten Halter in Österreich: Unsere Nachbarn verbieten die Haltung von Serval und Karakal durch Privatpersonen. Leider führt das dazu, dass die Züchter die Tiere zur Verpaarung ins Ausland bringen. So entsteht zusätzlicher Stress für die Tiere.
Ein Verbot der Haltung führt also nicht gleich zu einem Ausbleiben des Handels - denn wo es Nachfrage gibt, wird es immer jemanden geben, der sich um das Angebot kümmert. Deswegen ist die Aufklärungsarbeit besonders wichtig - denn die Zucht der Hybridkatzen ist nicht nur für die Tiere gefährlich, sondern oft fühlen sich die neuen Halter auch überfordert von dem typisch “wilderen” Verhalten der Hybridkatzen.
Wildkatzen im Stammbaum haben ihren Preis
Für viele Tierhalter gehört der Kaufpreis der Hybridkatzen zu ihrem Alleinstellungsmerkmal. Nicht jeder kann sich so ein Tier leisten. Hybridbabies kosten im Internet oft um die 5000 Euro und mehr. Manche Rassen werden für bis zu 25 000 Euro gehandelt. Über diese horrenden Summen vergessen die Halter oft, dass es nicht nur darum geht, ob eine Zucht erlaubt ist. Es geht um das Wohl der Tiere und eine Wildkatze im Stammbaum verändert die Persönlichkeit Deines Haustiers.
Warum Hybridrassen problematisch sind
Leider glauben aktuell viele Menschen den Züchtern von Hybridrassen, die ihre Katzen mit zwei Merkmalen anpreisen: Das Aussehen einer Wildkatze und die Persönlichkeit einer Hauskatze. Doch ist das wirklich möglich? Wie Du sicher weißt, hat der Domestizierungsprozess unserer Katzen Jahrtausende gedauert. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das Verhaltensmuster einer Wildkatze nach nur wenigen Generationen verschwunden sein soll, während das Aussehen bleibt.
Die Anschaffung einer Hybridkatze ist mit verschiedenen Tierschutzproblemen verbunden:
1. Verpaarung mit großem Risiko für die Hauskatze
Meist ist der Vater eine Wildkatze und das Weibchen eine Hauskatze. Bei der Paarung kann es zu schweren Verletzungen kommen, wenn die Hauskatze beim Deckakt z.B. vom Kater in den Nacken gebissen wird. Oft sieht die größere Wildkatze die kleinere Katze als Beute an und dann sind Todesfälle nicht ungewöhnlich.
2. Gefährliche Geburt für Mutter und Kind
Eine Gefahr geht von der unterschiedlichen Trächtigkeitsdauer der verpaarten Arten aus: Der Karakal bringt seine Nachkommen nach 70 Tagen, der Serval nach 71-74, die Hauskatze dagegen nach nur 58-63 Tagen zur Welt. Die Folge sind Früh-, Fehl- oder Totgeburten, da die Tragezeit für den Hybridnachwuchs zu kurz ist. Langfristig ist auch zu befürchten, dass es zu gesundheitlichen Komplikationen oder Erbkrankheiten kommen kann. Dies lässt sich jedoch noch nicht genetisch nachweisen.
Das Problem bei der Geburt liegt daran, dass Wildkatzen wie Karakal und Serval in Gewicht und Größe stark von dem normaler Hauskatzen abweichen. Sie sind beide deutlich schwerer und größer: Der Karakal mit einer durchschnittlichen Schulterhöhe von 45cm und einem Gewicht von 18kg, der Serval mit 60cm und einem Gewicht von 20kg.
Aufgrund der unterschiedlichen Größe der Tiere ist die Geburt für die Hauskatze eine Qual. Oft ist diese gar nicht ohne Notkaiserschnitt beim Tierarzt möglich. In jedem Fall muss die Mutter aber außergewöhnliche Geburtsschmerzen ertragen. Ihr Leben kann entgegen der ihrer wertvollen Jungtiere oft nicht mehr gerettet werden.
Des Weiteren werden die Kitten meist wenige Tage oder direkt nach der Geburt von der Mutter getrennt. Jeder Katzenfreund weiß, wie wichtig die Prägung ist und dass eine Fehlprägung unter Tierschutzaspekten sehr bedenklich ist. Durch Handaufzuchten wollen die Züchter sicherstellen, dass die Hybride auf den Menschen bezogen sind, wobei sie gegenüber fremden Menschen trotzdem häufig aggressiv reagieren.
3. Die natürlichen Instinkte der Wildkatze
Anders als Dich die Werbung vieler Züchter glauben lässt, nämlich dass die Tiere gerne als freundliche und soziale Katzen dargestellt werden, haben die meisten Hybriden Persönlichkeitsanteile ihrer wilden Vorfahren. Dazu gehören drei Dinge, die Dich als Tierhalter direkt betreffen:
Der Wildtiercharakter bleibt
Oft werden die Tiere von Züchtern als “doglike” beschrieben. Es wird angepriesen, dass die Katzen ihrer Bezugsperson auf Schritt und Tritt folgen und vielfach sogar gerne apportieren. Diese Tiere wollen beschäftigt werden und fordern dies auch stark ein. Sie neigen zu dominantem Verhalten und müssen ihre Grenzen stark abgesteckt bekommen. Doch auch hier stehen die Darstellungen der Züchter der Hybridrassen im Widerspruch zur Auffassung anerkannter Experten und Tierärzte. Bei Ermangelung von Abwechslung bei den Beschäftigungsmöglichkeiten treten schnell unerwünschte Verhaltensstörungen auf.
Nicht einmal die Hauskatze gilt unter Verhaltensexperten als völlig domestiziert und so macht ein Wildtiercharakter die Tiere ungeeignet für ein enges Zusammenleben mit dem Menschen und kann gleichzeitig zu erheblichen Leiden bei den Tieren führen. Die Hybride sind nämlich potentielle Kandidaten für Angst- und Dauerstressprobleme, sowie daraus resultierender Aggressionen, weil sie vom Menschen in ihrem Wildtierverhalten gestört werden (Scheue/Einzelgänger, Dämmerungs- und Nachtaktivität, sehr große Territorien und Streifgebiete, Markierungsverhalten, Unverträglichkeit außerhalb der Fortpflanzungszeit, nie völlig verschwindende Fluchtbereitschaft, u. a.). Wenn die Katzen mit zwei bis drei Jahren ausgewachsen sind und damit ihre Geschlechtsreife erreicht haben treten die Probleme mit dem Besitzer auf, da der Umgang nicht mehr möglich ist und selbst der Kontrollgang zum Tierarzt nicht mehr einfach umsetzbar ist, sodass die Tiere mit Blasrohr geimpft werden müssen.
Krallen sind zum Kratzen da
Manche Rassen wie die “Caracats” werden von amerikanischen Züchtern nur entkrallt verkauft oder gar die Zähne abgeschliffen. Zusätzliche Regelungen wie “Nicht an Haushalte mit Kinder unter zwölf Jahren” verraten, dass sich die Züchter nicht allzu sicher sein können, was die Gefährlichkeit dieser Rasse angeht. Sobald die Wildkatzen oder deren Hybride geschlechtsreif sind, werde diese unberechenbar, da sich diese Tiere auf die Suche nach einem eigenen Revier begeben möchten. Eine einfache Wohnung reicht diesen Tieren nicht ansatzweise.
Natürlich haben auch Hauskatzen den natürlichen Instinkt, zu kratzen. Jedoch neigen Wildkatzen zu einem Ausmaß an Zerstörung, das so manchem die Freude am schönen Aussehen dieses neuen Haustiers deutlich schmälern könnte.
Reviere müssen markiert werden
In der freien Wildbahn haben die Vorkommen der Hybridkatzen ihr Territorium gegen Eindringlinge verteidigt. Sobald sie geschlechtsreif werden, urinieren sie deshalb dorthin, wo ihr “Zuhause” ist. Das betrifft im Zweifelsfall auch Dein Zuhause - abseits vom Katzenklo. Der Instinkt der ehemaligen Wildkatze weiß eben nicht, dass es sich um eine schöne Wand oder eine eben gereinigte Ecke Deines Wohnzimmers handelt. Zusätzlich sollte sichergestellt werden, dass das Gehege ausbruchsicher ist, da eine Savannah problemlos in der Lage ist aus dem Stand zwei bis zweieinhalb Meter hoch zu springen. Wie auch bei der Hauskatze sollte die unkontrollierte Verbreitung und Vermehrung verhindert werden. Viele Experten warnen, dass diese Wildkatzen wie alle Raubtiere sehr selbstbestimmte Individualisten sind, welche nie zahme Katzen sein werden.
4. Schutz der heimischen Tierwelt
Artenschutz wird in Deutschland immer wichtiger. In manchen Ländern ist die Einfuhr von Hybridkatzen bereits verboten, um die heimische Tierwelt vor Eingriffen zu bewahren. So darf man die “Savannah” z.B. nicht nach Australien bringen, da ihr Jagdverhalten dem der normalen Hauskatzen deutlich überlegen ist. Wenn Du Dich für den Schutz unserer Vögel interessierst, wirst Du schnell erkennen, dass die Nachfahren von Wildkatzen problematische Haustiere sind.
Schmusetiger oder Wildkatze?
Der Trend zu Hybridkatzen ist meiner Meinung nach nicht mit der Tierliebe vereinbar. Zu groß ist das Leid der Tiere, das für diese “Besonderheit” in Kauf genommen wird. Außerdem solltest Du Dir bewusst sein, dass es sich nicht um ein stubenreines Schmusekätzchen handelt, auch wenn manche Züchter das suggerieren.
Tierheime in den USA berichten, dass viele Tierhalter sich Hybridkatzen anschaffen und die Herausforderung unterschätzen. Wildkatzen werden eben nicht über wenige Generationen zu handzahmen Hauskatzen, sondern über viele Jahrtausende. Stattdessen sollten wir alle daran interessiert sein, unsere noch in Deutschland lebenden Wildkatzen zu erhalten. Und zwar dort, wo es ihnen am besten geht: in der wilden Natur.
Ich wünsche uns allen, dass die Wahl eines Haustiers nicht nur einem Trend folgt oder dem Wunsch nach Extravaganz!