Die Anschaffung eines Welpen und damit die Erweiterung der Familie ist mit viel Freude verbunden. Als neugebackener Hundehalter gibt es im Alltag jedoch einiges zu beachten. Welche Bedürfnisse hat der Welpe? Wie sorge ich für die richtige Welpenerziehung? Welche Ernährung ist für den Welpen geeignet? Im Interview mit Tierarzt Philipp Schledorn spricht AniForte® heute darüber, was man in den ersten Wochen des Welpens beachten sollte.
AniForte®: Zunächst einmal die Frage: Bis zu welchem Alter spricht man eigentlich von einem „Welpen“?
Tierarzt: Man kennt drei sogenannte „Welpenphasen“. Die erste Phase, die „Neugeborenenphase“, beginnt direkt mit der Geburt und dauert bis zum 14. Lebenstag des Hundes. Die Grundbedürfnisse, wie Nahrungsaufnahme, Schlafen und Ausscheiden, stehen im Mittelpunkt. Darauf folgt die „Übergangsphase“ von Tag 14 bis Tag 21. Hier gewinnt für den Welpen die Wahrnehmung der Umgebung zunehmend an Bedeutung. Richtig neugierig auf alles um ihn herum wird der Hund dann von der 3. - 18. Lebenswoche. In dieser Zeit spricht man von der „Sozialisationsphase“ des Welpen.
AniForte®: Wozu ist diese Neugierde in der „Sozialisationsphase“ wichtig?
Tierarzt: Für den Hund beginnt in dieser Phase die Eingliederung in die Gesellschaft (= Sozialisation). Es ist ganz entscheidend für sein weiteres Leben, welche Erfahrungen in Bezug auf Menschen, Artgenossen, Nahrung, Umwelteinflüsse und Situationen er in diesem Zeitraum macht. Schließlich wächst noch das Gehirn des Welpen und jeder Einfluss von außen wird abgespeichert und später in ähnlichen Situationen wieder hervorgeholt. Diese Wochen sind also für die Beziehung zwischen dem Welpen und dem Menschen an seiner Seite extrem wichtig.
AniForte®: Welche Gegenstände des täglichen Bedarfs benötigt ein Welpe?
Tierarzt: Schlafen, Essen, Spielen - das ist in den ersten Wochen der Hauptinhalt des Hundelebens. Dementsprechend sollte ein Schlafplatz für den Welpen stets an einem ruhigen, warmen Ort vorbereitet werden. Jedoch vermeidet es den Liegeplatz des kleinen Rackers an die Heizung zu stellen. Bei Dauerbetrieb an kalten Tagen kann diese Hitze die Schleimhäute des Vierbeiners austrocknen und ihn noch empfindlicher für Erkältungen und Co. machen. Bei der Futterstelle ist zu beachten, dass der Napf rutschfest und stabil steht. Bei Welpenspielzeug sollte man darauf achten, ob es verschluckt werden kann, denn dann ist es ungeeignet.
AniForte®: Wie und wann beginne ich mit der Welpenerziehung?
Tierarzt: Die Welpenerziehung beginnt mit dem ersten Tag des Einzugs. Es geht darum, dem Hund auf spielerische Weise Regeln und Rituale zu vermitteln. Dabei sollte man stets konsequent, aber liebevoll sein. Zunächst vermittelt man dem Welpen die Rangordnung in der Familie, so kann der kleine Racker sich anpassen und weiß, wo er steht.
AniForte®: Wie schaffe ich es, dass der Welpe mich durch die Welpenerziehung als „Ranghöheren“ anerkennt?
Tierarzt: Das schaffen Sie am besten mit einer klaren und konsequenten Kommunikation. Du vermittelst dem Welpen, dass er das rangniedrigste Individuum in der Familie ist, indem Du im wahrsten Sinne des Wortes „Führungsqualitäten“ beweist. Der Welpe sollte erkennen, dass Du vertrauenswürdig bist. Das erreicht man durch Gesten, Mimik und eindeutige Signale. Hunde spüren, wenn Du selbst unsicher wirst. Dominante Gesten überzeugen ihn dagegen von Ihrer höheren Stellung. Diese sollten natürlich liebevoll sein, wie z.B. die Berührung am ganzen Körper des Tieres – das vermittelt dem Welpen Überlegenheit, ohne ihn anzugreifen oder zu verunsichern. Auch sogenannte „Tabuzonen“, wie z.B. das Bett, in das der Welpe nicht darf, geben dem jungen Hund das Gefühl, dass Du der „Bestimmer“ der Gruppe bist.
AniForte®: Wie bringe ich dem Welpen den richtigen Umgang mit Artgenossen bei?
Tierarzt: In der Sozialisationsphase lernt der Welpe die Grundregeln des Umgangs mit anderen Hunden im Spiel und in Rangeleien. Zu den wichtigsten Verhaltensweisen gehören die Beißhemmung, die Unterwerfung und das Dominieren des Gegenübers. Es ist falsch anzunehmen, dass der Welpe bei der Begegnung mit fremden Hunden unter dem sogenannten „Welpenschutz“ steht. Dieser existiert nur für Hunde innerhalb eines Rudels. Auch ein Welpe wird sich anderen Artgenossen gegenüber einmal unterwürfig zeigen müssen, um nicht Aggressionen auszulösen. Dabei bist Du als Halter gefragt, denn der Welpe wird Deine Haltung gegenüber anderen übernehmen: Bist Du also gelassen bei der Begegnung mit fremden Hunden, ist das die beste Voraussetzung für einen gesunden Lernprozess.
AniForte®: Wie lernen Hundewelpen durch die Welpenerziehung Kommandos und Regeln?
Tierarzt: Hunde lernen grundsätzlich über Verknüpfungen. Das heißt, sie verbinden ein bestimmtes Ereignis mit einem anderen. Deshalb ist Lob sehr wichtig in der Hundeerziehung. Welpen, die für eine Handlungsweise gelobt wurden, werden diese wiederholen und häufiger ausüben. Das kannst Du Dir zunutze machen, wenn Du ihn beispielsweise jedes Mal, wenn Dein Liebling etwas richtig macht, mit Deiner Stimme, Streicheleinheiten, Spielzeug oder Futter belohnst. Auch umgekehrt ist es zur Erlernung von Kommandos sinnvoll, den Welpen beispielsweise „Sitz“-Machen zu lassen, bevor er Futter bekommt.
AniForte®: Wie schaffe ich es als Hundehalter die besten Bedingungen für schnelles Lernen während der Welpenerziehung zu schaffen?
Tierarzt: Indem Du Dich erst einmal von dem Gedanken verabschiedest, dass Lernprozesse schnell gehen müssen. Solche Dinge brauchen Zeit und Geduld. Du kannst Deinen Welpen unterstützen, indem Du ihn zunächst an „sicheren“ Orten lernen lässt, also z.B. in den eigenen vier Wänden. Jede Ablenkung und Aufregung in der freien Wildbahn wirkt sich negativ auf seine Aufmerksamkeitsspanne aus. Wenn Du selbst dann noch mit guter Laune an die Erziehung herangehst, sollte nichts viel schief gehen.
AniForte®: Zum Lernprozess während der Welpenerziehung gehört auch die Stubenreinheit – was muss ich dabei beachten?
Tierarzt: Das Training zur Stubenreinheit sollte immer gewaltfrei und liebevoll sein. Hunde sind nicht von Haus aus stubenrein, sondern der Mensch trägt die Verantwortung für diesen Lernprozess, in welchem dem Tier die bewusste Kontrolle seines Schließmuskels beigebracht wird. Auch das benötigt viel Zeit, lohnt sich aber. Ein Welpe sollte etwa alle zwei Stunden die Möglichkeit bekommen, sich zu entleeren. Denke daran, Deinen Welpen nach vollendetem Geschäft überschwänglich zu loben.
Auch zwanzig Minuten nach dem Fressen, Trinken oder Spielen und unmittelbar nach dem Aufwachen musst Du als Hundehalter dafür sorgen, dass der Welpe, Urin absetzen kann. Wenn er Unruhe zeigt oder herumschnüffelt, können das ebenfalls Anzeichen dafür sein, dass es Zeit ist, ihn nach draußen zu bringen. Manche Hunde reagieren besonders sensibel oder lassen sich schnell ablenken, deshalb ist eine ruhige Umgebung anfangs wichtig. Hilfsmittel wie spezielle Hundetoiletten oder Welpenunterlagen sind für den Übergang empfehlenswert, wenn Dein Welpe am Anfang draußen zu unruhig ist.
AniForte®: Wie gehe ich damit um, wenn mein Welpe sich in den Wohnräumen erleichtert?
Tierarzt: Das kann zumindest in den ersten Wochen häufig vorkommen. Du solltest dann die Ruhe bewahren und ihn nicht schimpfen oder gar bestrafen. Der Welpe versteht diese Methoden nicht, sondern verliert eher das Vertrauen in Dich. Ich habe schon von Fällen gehört, in denen Junghunde mit dem Kopf in ihr „Missgeschick“ gedrückt wurden, um ihnen zu zeigen, was sie angerichtet haben. Das ist eine menschliche Denkweise, die nicht übertragbar ist. Der Welpe versteht Lob viel besser als Strafe.
AniForte®: Ab wann kann ich meinen Welpen mit nach draußen nehmen?
Tierarzt: Von Anfang an. Hier handelt es sich eher um die Frage der richtigen Dosierung. Es ist wichtig für den Welpen, auch die Umgebung außerhalb der eigenen vier Wände und des Gartens kennenzulernen. Um die Junghunde für später anpassungsfähig und belastbar zu machen, solltest Du aber darauf achten, wieviel Stress Du Deinem Liebling zumuten willst. In den ersten Wochen ist die Dauer eines Spaziergangs von nicht länger als fünfzehn Minuten zu empfehlen. Aber diese Konfrontation mit der Außenwelt ist unverzichtbar. Denn neben Abwechslung von Bodenstrukturen und optischen, wie akustischen Reizen begegnet der Welpe auf diesen Ausflügen vor allem auch anderen Menschen und Tieren und trainiert seine Bewegungsabläufe (z.B. durch Klettern).
AniForte®: Welche Situationen sollte ich auf solchen Spaziergängen mit meinem Welpen vermeiden, welche sollte ich suchen?
Tierarzt: Ruhige Orte wie Wälder oder Wiesen sind genauso zu empfehlen wie belebte Straßen oder herausfordernde, volle Läden. Natürlich nur in Maßen. Was entscheidend ist für alle neuen Situationen, in die der Welpe mit Dir gerät, ist Deine Einstellung. Strahle Gelassenheit und Selbstverständlichkeit aus, egal, ob die Straßenbahn klingelt oder der Baulärm dröhnt. Beobachte dabei aufmerksam die Reaktionen Deines Hundes und gehe aus der Situation, wenn er Zeichen von Angst oder Stress zeigt, wie Hecheln, Jaulen oder Zittern. Außerdem sollte der Welpe genügend Zeit auf diesen Spaziergängen haben, um Gerüche über seine Nase aufzunehmen. So macht er sich mit der Umgebung vertraut.
Alles, was der Junghund in der Sozialisationsphase als vertraut abspeichert, wird später keine Probleme mehr machen. Deshalb rate ich zu kurzen Ausflügen an belebte Kreuzungen, von Joggern und Radfahrern benutzte Wege oder zu einem Kinderspielplatz oder Einkaufscenter. Versuche dabei zu vergessen, dass Du gerade mit der Erziehung Deines Welpen beschäftigt bist. Wenn Dein Verhalten auf die Reaktion anderer Menschen abzielt, wird Dein Hund das Merken. Die Meinung der anderen sollte Dir möglichst egal sein, konzentriere Dich auf eine konsequente Haltung gegenüber dem Welpen. So schwer das manchmal auch ist.
AniForte®: Welche Möglichkeiten zur Auslastung meines Welpen gibt es sonst noch?
Tierarzt: Die schönste Art zu Lernen ist für den Welpen das Spiel. So fördern z.B. Geschicklichkeitsspiele den angeborenen Lerntrieb. Bei Suchspielen solltest Du darauf achten, dass das Welpenspielzeug nicht zu klein ist. Vorsicht ist auch geboten, wenn Dein Welpe auf rutschigen Böden, wie Fliesen oder Laminat spielt, denn diese können seinen Gelenken schaden. Bei Lauf- und Bewegungsspielen solltest Du stets im Blick behalten, dass diese nicht zur völligen Ermüdung des Tieres führen. Meide auch Stufen oder steile Steigungen. Extreme Belastungen wie Hundesport oder Fahrradfahren sind mit einem Welpen natürlich auch untersagt.
Das Spiel sollte nie zur Überforderung des Tieres führen, sondern es sollte sich um gut überlegte Aktionen handeln, die Deinen Welpen fördern. Die wichtigsten Lektionen in der Grunderziehung kann Dir auch eine Welpenschule vermitteln. Diese unterstützt Dich im Umgang mit Deinem neuen Tier und gibt Dir hilfreiche Tipps und konkrete Verhaltensregeln an die Hand.
AniForte®: Sollte man dem jungen Hund spezielles Futter für Welpen geben?
Tierarzt: Wie beim Menschen ist auch bei Hundenahrung auf die richtige Zusammensetzung aus Fetten, Kohlenhydraten, Ballaststoffen, Mineralien, Spurenelementen und Vitaminen zu achten. Die Bestandteile von Trocken- oder Dosenfutter sind meist ausführlich auf den Packungen aufgelistet. Auch spezielles Welpenfutter kann sinnvoll sein, da es besonders viel Calcium und Vitamine enthält, die das Wachstum fördern. Wenn der Welpe vom Züchter kommt, stellt man die Ernährung erst nach und nach um. Da jede Rasse ihre Besonderheiten hat, ist es auch empfehlenswert einen Tierarzt oder Tierheilpraktiker zu befragen, wenn Du Dir unsicher bist.
AniForte®: Abschließend noch die Frage: Ist die Welpenerziehung für jede Familie machbar?
Tierarzt: Solange die Mitglieder dieser Familie über genügend Zeit und Geduld verfügen, auf jeden Fall. Auch die räumliche Situation spielt natürlich eine Rolle. Entscheidend ist aber die Einstellung der Menschen, die sich einen Welpen ins Haus holen: Wenn sie Ruhe ausstrahlen und kleinen Pannen gegenüber gelassen reagieren, dann wird auch Ihr Hund schnell lernen, dass Familie Sicherheit und Regeln bedeutet.
AniForte®: Vielen Dank für das Gespräch!
Tierarzt: Ich bedanke mich für die Einladung und wünsche allen Lesern einen guten Start mit ihren neuen Mitbewohnern!